Kapitel 1: Zusammenarbeit, Kommunikation und Kooperation

1.4 Psychologische und soziologische Aspekte bestimmter Personengruppen

Jeder Mensch hat eine eigene, ganz spezifische Lebensverlaufsperspektive. Diese ist zunächst von den verschiedenen Altersphasen Kindheit, Jugend, mittleres Alter und höheres Alter geprägt. Außerdem werden die Phasen des Lebenslaufs durch verschiedene Institutionen und Organisationen wie Schule, Lehre, Studium, berufliche Tätigkeit, Fortbildung und die Absicherung im Rentenalter beeinflusst. Die Unternehmen interessieren sich besonders für die Übergänge in der Lebensverlaufsperspektive. Diese Übergänge von einer Lebensphase in die nächste sind wichtige Untersuchungsfelder der Personalabteilung. Es werden dabei langfristige Wirkungen der weichenstellenden Entscheidungen des Mitarbeiters deutlich. Erkenntnisse daraus können für unternehmerische Entscheidungen genutzt werden.

Im Unternehmen lassen sich Gruppen von Mitarbeitern mit gleichen oder ähnlichen psychologischen und soziologischen Gemeinsamkeiten bilden. Diese Besonderheiten müssen von den Unternehmen beachtet werden:

Für Auszubildende und jugendliche Mitarbeiter gelten zum Beispiel das Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) und das Berufsbildungsgesetz (BBiG). Hierin definiert der Gesetzgeber die besondere Fürsorgepflicht für Auszubildende und Jugendliche, die sich in einer Lebensphase befinden, die prägend für ihr weiteres berufliches und privates Leben ist.

Beispiel 2

Die Personalabteilung der Josef Kannegießer KG hat mit den im Unternehmen tätigen Ausbildern, Mentoren und Coachs zur letzten Weiterbildungsveranstaltung folgende Empfehlungen für den Umgang mit Auszubildenden und Jugendlichen diskutiert:
+Auszubildende/Jugendliche sollen ernst genommen werden, es soll Ihnen die gleiche Wertschätzung wie den anderen Mitarbeitern im Unternehmen entgegengebracht werden

  • Auszubildende/Jugendliche sollen nicht ständig minderwertige Arbeit erledigen, es soll ihnen der Wert der Arbeit und die Freude an der Arbeit vermittelt werden
  • Auszubildende/Jugendliche sollten eine konkrete Anlaufstelle für Fragen und Probleme zugewiesen bekommen
  • Auszubildenden/Jugendlichen soll der Wert von Bildung und Weiterbildung vermittelt werden (vgl. Kapitel 2.4.3 Skript Betriebliches Management)
  • Herausfinden und Beachten der Fähigkeiten der Auszubildenden/Jugendlichen wird zur nachhaltigen Bedeutung für das Unternehmen und die Betroffenen
  • Förderung der einzelnen Auszubildenden/Jugendlichen
  • Ausbildungserfolge sind zu sichern, z. B. durch viel Lob, konstruktive Kritik, Geduld und Vertrauen sowie Integration

Die Zusammenarbeit von Frauen und Männern wird vom Grundsatz der Gleichberechtigung getragen und ist von den Vorgesetzen in ihrem Führungsverhalten zu berücksichtigen. Außer den im Mutterschutzgesetz (MuSchG) geregelten Vorgaben gibt es keine Vorschriften, die Frauen verbieten, bestimmte Tätigkeiten auszuüben. Unter Beachtung des Gesundheits- und Arbeitsschutzes ist jedoch darauf zu achten, dass Risiken und Gefährdungen nicht geschlechtsneutral beurteilt werden. Es sollen nach der von der EU-Kommission eingeführten Strategie der Gender Mainstreaming die Unterschiede zwischen den Geschlechtern sachlich beurteilt und bedacht werden.

Gender Mainstreaming bedeutet, dass die Politik, Organisationen und Institutionen Maßnahmen hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gleichstellung von Frauen und Männern untersuchen und bewerten sowie Maßnahmen zur Gleichstellung ergreifen. Das bedeutet für die Unternehmen, dass sie in allen Phasen der Planung, Durchführung und Auswertung von Maßnahmen die unterschiedlichen Lebenslagen von Frauen und Männern und die Auswirkungen auf beide Geschlechter berücksichtigen müssen. Gender Mainstreaming ist eine politische Strategie, die auf die Gleichstellung von Frauen und Männern in allen Entscheidungsprozessen orientiert.

Dabei stehen neue Instrumente, aber auch klassische Förderungsmaßnahmen zur Verfügung, z. B.

  • Betreuungsmöglichkeiten für Mitarbeiterkinder bereit stellen,
  • abgestimmte Arbeitszeitsysteme mit Präsenz- und Heimarbeitsphasen sowie
  • Mütter bzw. Väter im Jahr der Freistellung über das Betriebsgeschehen informieren.

Ältere Mitarbeiter besitzen ein großes Erfahrungswissen und haben im Zusammenhang mit dem viel beklagten Facharbeitermangel bis zu ihrem Rentenalter und zum Teil darüber hinaus gute Beschäftigungschancen. Kategorisieren lässt sich das Alter
  • nach biologisch-physiologischen Kriterien wie z. B. das Erscheinungsbild,
  • nach psychisch-intellektuellen Kriterien wie z. B. Veranlagungen und
  • nach sozialen Kriterien und gesellschaftlichen Normen in Jahren.

Die Unternehmen sollten
  • altersgemischte Arbeitsgruppen bilden,
  • im Rahmen der Arbeitsorganisation auf Pausenzeiten und Arbeitszeiten achten sowie technische Hilfsmittel zur Erleichterung bestimmter Arbeitsvorgänge bereit stellen,
  • ergonomische Bedingungen wie Sitzmöbel, Ausstattung der Arbeitsräume und Pausenräume sowie die Arbeitsplatzbeleuchtung auf die Bedürfnisse der älteren Mitarbeiter ausrichten,
  • das Wissen und die Erfahrungen der älteren Mitarbeiter nutzen und
  • gezielte Bildungsangebote im Rahmen der Personalentwicklungsmaßnahmen auch für ältere Mitarbeiter schaffen.

Erfahrungen aus der Erwachsenenpädagogik beweisen, dass ältere Menschen genauso gut wie Jüngere lernen, andererseits aber anders lernen. Das Lernen unter Anknüpfung an bisherige Erfahrungen und an komplexe Themenstellungen unter Einbeziehung praxisbezogener bildhafter Darstellungen sowie Entwicklung von Lernstrukturen steht in der betrieblichen Weiterbildung älterer Mitarbeiter im Vordergrund. Bei Mitarbeitern mit einem längeren Bildungsweg und/oder höheren Bildungsgrad sind die Lernakzeptanz und die Motivation zur Weiterbildung meist höher ausgeprägt. Bildungsangebote werden gern genutzt. Das bedeutet für die Unternehmen für solche älteren Mitarbeiter, die eher Desinteresse an Bildungsangeboten zeigen, attraktive Anreize zu schaffen. Diese sollen helfen, Barrieren wie mangelndes Zutrauen, Unklarheiten über den Nutzen der Weiterbildung und oftmals weit zurück liegende schlechte Erfahrungen bei Lernprozessen zu überwinden.

Die Führung von Menschen mit Migrationshintergrund stellt die Unternehmen oft vor große Herausforderungen. In den Arbeitsprozessen treffen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen aufeinander. Es kommt dabei nicht selten zu Missverständnissen, weil den Kommunikationspartnern die Regeln der Kommunikation des jeweils anderen Partners nicht bekannt sind oder/und nicht verstanden werden. Das Kapitel 4.4 des Skripts Marketing und Vertrieb beschäftigt sich mit interkulturellen Kommunikationsdimensionen im internationalen Geschäftsverkehr. Werden auf Grund der demografischen Besonderheiten in Deutschland und infolge der Globalisierung ausländische Fachkräfte in deutschen Unternehmen rekrutiert, erwarten die Unternehmen von den ausländischen Mitarbeitern, die eine längere Zeit im Unternehmen bleiben wollen, den Willen zur Anpassung und zur Integration. Priorität hat dabei die Beherrschung der deutschen Sprache. Deutschen Führungskräften wird empfohlen,
  • sich mit der Kultur und den Lebensgewohnheiten der ausländischen Mitarbeiter zu beschäftigen,
  • bei wichtigen Gesprächen einen Dolmetscher einzubeziehen,
  • den ausländischen Mitarbeitern Sprachkurse in Kombination mit Integrationskursen anzubieten und
  • Ungleichbehandlungen zwischen Mitarbeitern unterschiedlicher Kulturen zu vermeiden.

Beispiel 3

Personalleiter Matthias Regel der Josef Kannegießer KG erwartet im kommenden Monat 5 neue Mitarbeiter in der Montage. Es sind gut ausgebildete Monteure aus der Türkei, die längerfristig in Deutschland arbeiten möchten. Regel überlegt, wie er den neuen Mitarbeitern den Einstieg in den Unternehmensalltag erleichtern und Konfliktsituationen vermeiden kann.
Er weiß: Die jungen Mitarbeiter im Alter zwischen 25 und 30 Jahren haben mit sprachlichen Barrieren, mit religiösen Lebensgewohnheiten, mit klimatischen Unterschieden, anderen Essgewohnheiten und überlieferten Traditionen aus ihrer Heimat schwierige Startbedingungen zu meistern. Personalleiter Regel legt bei der Einführung neuer Mitarbeiter mit Migrationshintergrund Wert auf den Aufbau persönlicher Beziehungen und erstellt sich einen Stichwortzettel:

  • Bekanntmachen mit Arbeitskollegen und Landsleuten, Dolmetscher einbeziehen
  • Führung durch die sozialen Einrichtungen wie Kantine, Aufenthaltsräume und sanitären Einrichtungen
  • Erläuterung des Lohn- und Gehaltssystems sowie weiterer Abzüge
  • Erklärungen zur Arbeitsordnung sowie Rechten und Pflichten
  • Erläuterung der Arbeitsabläufe am Arbeitsplatz
  • Belehrungen zur Unfallverhütung

Die Unternehmen haben bei der Beschäftigung von Mitarbeitern mit Behinderungen bestimmte gesetzliche Verpflichtungen einzuhalten. Dazu gehören z. B. der Kündigungsschutz, der besagt, dass die Kündigung nur mit Zustimmung der Hauptfürsorgestelle erfolgen darf, des Weiteren die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage, die Bereitstellung von technischen Arbeitshilfen, die Gestaltung der Zufahrtswege und die Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen. Welcher verhältnismäßige Aufwand Unternehmen zugemutet werden kann, regeln staatliche und berufsgenossenschaftliche Arbeitsschutzvorschriften sowie Vorschriften nach §§ 80 ff SGB IX (neuntes Sozialgesetzbuch). Darin ist auch geregelt, dass Unternehmen, die keine oder zu wenig Behinderte beschäftigen, eine s. g. Ausgleichsabgabe zu zahlen haben:

Tabelle 2: Ausgleichsabgabe

Ausgleichsabgabe je unbesetzten Pflichtarbeitsplatz

Euro pro Monat

Beschäftigungsquote von 3 % bis weniger als dem geltenden Pflichtsatz (5 %)

115,00

Beschäftigungsquote von 2 % bis weniger als 3 %

200,00

Beschäftigungsquote von weniger als 2 %

290,00

Für die Erhebung und die Verwendung der Ausgleichsabgabe ist das Integrationsamt (§ 102 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) zuständig.

Die Führungskräfte haben in ihrer Führungsarbeit und im Hinblick auf die Art der Behinderung die psychologischen und soziologischen Besonderheiten dieser Mitarbeiter besonders sensibel zu beachten. Behinderte möchten weitgehend wie die übrigen Mitarbeiter behandelt werden. Sowohl Spott und andere Diskriminierungen als auch übertriebenes Mitleid sind nicht zu dulden. Wichtig ist, das spezifische Leistungsvermögen heraus zu finden und abzufordern sowie die Integration in den Unternehmensalltag zu fördern.



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